Chancen und Risiken der Künstlichen Intelligenz speziell für Seniorinnen

Stellungnahme des Bayerischen Landesfrauenrates (BayLFR)


Einleitung
Die rasante Entwicklung der Künstlichen Intelligenz (KI) eröffnet neue Perspektiven, die insbesondere für Seniorinnen von großer Bedeutung sind. Der BayLFR sieht in der KI sowohl wertvolle Chancen zur Verbesserung der Lebensqualität als auch erhebliche Risiken, die es zu benennen gilt. Technologien, wie die KI, können im besten Fall den Alltag erleichtern, soziale Isolation verringern und individuelle – auch gesundheitliche – Bedürfnisse besser berücksichtigen. Doch gleichzeitig steht die Gesellschaft bei Zugangsvoraus-setzungen, Nutzungs- und Umsetzungsfragen auch im geschlechterspezifischen Kontext bei Seniorinnen vor großen Herausforderungen (z. B. durch Armut im Alter, fehlender Zugang zur Technik, nicht erlerntes Technikverständnis und fehlende Unterstützung, Gesundheitskosten zu Hause).

Es muss sichergestellt werden, dass die Entwicklungen der KI ethisch und inklusiv gestaltet sind, um ältere Frauen nicht nur als Nutzerinnen, sondern auch als aktive Mitgestalterinnen (und Profiteurinnen) dieser Zukunft einzubeziehen. In dieser Stellungnahme hebt der BayLFR die wesentlichen Aspekte und Forderungen hervor, um ein sicheres, förderliches und geschlechtergerechtes Umfeld für Seniorinnen im digitalen Zeitalter zu schaffen.

Rahmenbedingung nationalen Handelns ist seit Juni 2024 die Verordnung der Europäischen Union über künstliche Intelligenz (KI). Die KI-Verordnung legt einen gemeinsamen Rahmen für die Nutzung und Bereitstellung von KI-Systemen in der EU fest. Das Europäische Parlament will vor allem sicherstellen, dass die in der EU eingesetzten KI-Systeme sicher, transparent, nachvollziehbar, nicht diskriminierend und umweltfreundlich sind.

Chancen der Künstlichen Intelligenz

  1. Verbesserung der Lebensqualität Künstliche Intelligenz kann das Leben von Seniorinnen erleichtern und verbessern. Intelligente Assistenzsysteme können den Alltag unterstützen, wie bspw. bei der Medikamenteneinnahme helfen oder Warn- und Notrufsysteme bereitstellen. Eine wichtige Nutzung für Ältere besteht auch in der Kommunikation und Interaktion mit dem familiären und sozialem Umfeld. Diese soziale Interaktion kann durch KI gefördert werden. Solche Technologien bieten nicht nur praktische Unterstützung, sondern auch ein Gefühl von Sicherheit und Unabhängigkeit und sozialer Teilhabe und Einbindung.
     
  2. Zugang zu Informationen und Bildung KI-gestützte Lernplattformen ermöglichen Seniorinnen den barrierefreien Zugang zu neuen Bildungsinhalten und digitalen Fähigkeiten. Dies ist besonders wichtig, da viele ältere Frauen in einer Zeit aufgewachsen sind, in der digitale Technologien noch nicht verbreitet waren. Durch gezielte Schulungen und den Einsatz von KI können Seniorinnen nicht nur ihre Medienkompetenz verbessern, sondern am gesellschaftlichen Geschehen teilnehmen und teilhaben. Daneben ist natürlich auch der vereinfachte und individualisierte Zugang zu Medien- und Spielangebote ein wichtiger Pluspunkt.
     
  3. Individualisierte Gesundheitsversorgung. Durch den Einsatz von Datenanalysen können personalisierte Therapieansätze entwickelt werden, die den spezifischen Bedürfnissen älterer Frauen gerecht werden. Dazu zählen die Früherkennung von Krankheiten bis hin zu individuellen und geschlechtsspezifischen Behandlungsplänen. KI kann zur Verbesserung der gesundheitlichen Situation von Seniorinnen beitragen.
     
  4. Stärkung sozialer Netzwerke KI-gestützte Plattformen können Seniorinnen helfen, soziale Kontakte zu knüpfen und aufrechtzuerhalten. Digitale Tools ermöglichen es, Freundschaften zu pflegen und neue Bekanntschaften zu schließen, wodurch Einsamkeit und Isolation verringert werden können. Solche sozialen Interaktionen sind für das psychische Wohlbefinden von großer Bedeutung.

 

Risiken der Künstlichen Intelligenz

  1. Digitale Kluft und Zugang Ältere Frauen sind nicht selbstverständlich Teil der digitalen Revolution. Viele Seniorinnen haben keinen Zugang zu den benötigten Technologien oder fühlen sich überfordert, diese zu nutzen. Eine ungleiche Verteilung von (Geld-)Ressourcen und Wissen führt dazu, dass sich die Vorteile von KI ungleich verteilen und damit bestehende Ungleichheiten verstärken.
     
  2. Datenschutz und Sicherheit Der Einsatz von KI in sensiblen Bereichen wie Gesundheit und persönlichem Wohlbefinden wirft erhebliche Datenschutzfragen auf. Seniorinnen sind oft besonders verletzlich, wenn es um den Schutz ihrer persönlichen Daten geht. Missbrauch von Daten, unzureichende Sicherheitsmaßnahmen und mangelnde Transparenz in der Datenverarbeitung müssen dringend angegangen werden.
     
  3. Altersdiskriminierung und Stereotype KI-Systeme werden häufig mit Daten trainiert, die bestehende gesellschaftliche Vorurteile und Stereotypen widerspiegeln. Dies führt zu diskriminierenden Ergebnissen, die Ältere und ältere Frauen benachteiligen. Es ist entscheidend, dass die KI-Entwicklung (Unternehmen, KIEntwickler und -Entwicklerinnen) geeignete Überprüfungstools anwendet, um sicherzustellen, dass Algorithmen fair und inklusiv gestaltet sind. 
     
  4. Soziale Isolation durch Technologisierung Während KI soziale Interaktionen unterstützen kann, besteht auch die Gefahr, dass sie diese ersetzen. Der vermehrte Einsatz von digitalen Technologien kann dazu führen, dass persönliche Kontakte vernachlässigt werden. Nicht nur junge Menschen, auch Seniorinnen benötigen eine Balance zwischen digitaler Nutzung und zwischenmenschlichen Beziehungen, um nicht in eine neue Form der Isolation zu geraten.


Empfehlungen für eine geschlechtergerechte und altersfreundliche KI

Der BayLFR unterstützt die Stellungnahme der Bundesarbeitsgemeinschaft der Seniorenorganisationen (BAGSO) „Künstliche Intelligenz nutzen. Interessen und Grundrechte älterer Menschen schützen!“ (2024), allerdings mit Ergänzung spezifischer Forderungen für die Gruppe der älteren Frauen.

Der Bayerische Landesfrauenrat fordert:

  1. Digitales Existenzminimum. Die Teilhabe an der digitalen Transformation unserer Gesellschaft ist voraussetzungsgebunden. Will man allen ein Mindestmaß an Beteiligungs- und Entfaltungsmöglichkeiten garantieren, sind dafür digitale Ressourcen unverzichtbar. Benötigt wird ein flächendeckender Netzzugang (WLAN- oder Kabelzugang), ein ausreichendes Datenvolumen, eine genügende Datenübertragungsgeschwindigkeit sowie nicht zuletzt entsprechende Endgeräte. Wenn vermehrt KI-Technologien im Einsatz sind, hat die Politik die Verantwortung die gesamte Bevölkerung mitzunehmen. Es handelt sich hier um einen existenziellen Grundbedarf von Menschen jeder Altersgruppe. Menschen in Armut, davon sind insbesondere Frauen betroffen, muss dieser Bedarf als Teil der Grundsicherung gewährt werden und in öffentlichen, wohnortnahen Räumen zur Verfügung gestellt werden. Digitale Teilhabe ist soziale Teilhabe!
     

  2. Medienkompetenz. Es ist notwendig, spezielle Bildungsprogramme weiterzuentwickeln, die ältere Frauen gezielt ansprechen, sie motivieren und ihnen die nötigen digitalen Kompetenzen vermitteln. Dazu gehören nicht nur Bedien-, sondern auch Problemlösungskompetenzen. Bestehende Initiativen und Projekte müssen kontinuierlich und verstärkt durch öffentliche Gelder gefördert werden. Bürgerschaftliches Engagement muss gefördert werden, wie bspw. mit Tandem-Projekten von Jung und Alt in Nachbarschaft und Familie. Die steigende Nutzung von Social Media und die dabei wachsenden Probleme mit Desinformation, Verschwörungskampagnen, Cybermobbing oder Internetbetrug machen eine Stärkung der Medienkompetenz nötig.
     

  3. Inklusion in der Entwicklung. Seniorinnen müssen aktiv in die Entwicklung und Gestaltung von KI-Technologien einbezogen werden. Ihre Bedürfnisse, Wünsche und Erfahrungen müssen in den Designprozess einfließen, um wirklich nutzerfreundliche und barrierefreie Produkte zu schaffen. Nur so kann Teilhabe tatsächlich konkret gewährleistet werden. Was für ältere Menschen technisch komfortabel ist, ist auch für alle anderen Menschen mit mehr Komfort verbunden. Digitalisierung muss als Chance begriffen werden, um ältere Menschen zu befähigen, ihre Erfahrungen und Fähigkeiten auch in digitalen Räumen verfügbar zu machen und zu teilen.
     
  4. Datenschutz stärken. Der Schutz personenbezogener Daten muss oberste Priorität haben. Es müssen klare Richtlinien und Gesetze etabliert werden, die den Datenschutz für Seniorinnen gewährleisten und Missbrauch und Betrügereien verhindern. Transparente Informationen über die Verwendung von Daten sind unerlässlich. Zusätzlich sollten Anlaufstellen für Datenmissbrauch und Online Betrugsopfer bereitgestellt werden. (Besondere Anforderung: die Scham abzubauen, Opfer geworden zu sein!)
     
  5. Stereotypen entgegenwirken. Der Problematik von Altersdiskriminierung und geschlechtsspezifischen Stereotypen im digitalen Netz und bei KI-Anwendungen muss bereits bei der Entwicklung von KI-Tools entgegengewirkt werden. Es ist entscheidend, dass bei KI-Entwicklungen geeignete Überprüfungstools angewendet werden, um sicherzustellen, dass Algorithmen fair und inklusiv gestaltet sind. Wichtig ist die Umsetzung des Grundgesetzes Art. 3 und des Allgemeinen Gleichstellungsgesetzes (AGG) auf KI-Produkte, Produktion und Branchen.
     
  6. Recht auf analoges Leben. Viele Menschen werden auch in der Zukunft nicht an digitalen KI unterstützten Diensten und Leistungen, Plattformen und Angeboten teilnehmen wollen oder teilnehmen können. Egal ob Amtswege, Überweisungen, die Beantragung von Leistungen oder dem Kauf von Tickets und Gütern, das alles muss auch ohne Handy oder Computer möglich sein. Wer offline ist, soll nicht abseitsstehen!


Wir danken den Mitgliedern des Fachausschusses Sozial- und Beschäftigungspolitik: Sissi Banos, Franziska Buchberger, Nina Golf, Andrea Hinterwaldner, Marianne Keuschnig, Bettina Messinger, Claudia Nußmann, Prof. Dr. Erika Regnet, Brigitte Tarras, Petra Wagner und Ursula Werner für ihre fachlichen Expertise.

Wir sind ein Zusammenschluss von 58 Landes-Frauenverbänden und Frauengruppen gemischter Landesverbände, sind überparteilich, überkonfessionell und unabhängig und vertreten insgesamt knapp vier Millionen Frauen in Bayern. Seit unserer Gründung 1973 tragen wir zur Verwirklichung von Gleichberechtigung und Chancengleichheit von Frauen in Staat, Wirtschaft und Gesellschaft bei.