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Weniger Brutalität – mehr Empathie!
Mit Gewalt im TV sorgsamer umgehen!

221123 Grafik Orange Day Zur Pressemitteilung

Am 25. November ist der Internationale Tag gegen Gewalt an Frauen. Der Bayerische Landesfrauenrat macht in diesem Jahr besonders auf den Zusammenhang zwischen medialer und erlebter Gewalt aufmerksam und richtet den Blick auf geschlechtsspezifische Gewalt im deutschen Fernsehen.

In zahlreichen Berichten und Spielfilmen wird zum Teil schwere Gewalt gegenüber Frauen und Kindern gezeigt, jedoch überwiegend aus der Täterperspektive. Die Perspektive der Opfer kommt äußerst selten vor. Noch seltener erhalten die Betroffenen die Möglichkeit zu erzählen, was passiert ist und wie sie die Gewalttat und die Zeit danach erlebt haben. Angebote, wie Betroffene Hilfe bekommen können, werden so gut wie gar nicht vorgestellt, wenn es im Fernsehen gewalttätig wird.

Dies ist das Ergebnis einer Studie („Geschlechterspezifische Gewalt im Deutschen TV“, gefördert von der MaLisa Stiftung und der UFA GmbH), die im Fernsehjahr 2020 unter Leitung von Prof. Dr. Christine Linke an der Hochschule Wismar durchgeführt wurde. Das Forschungsteam untersuchte dafür 450 Stunden Sendematerial aus der Hauptsendezeit zwischen 18 und 22 Uhr. Von den darin erfassten 545 Sendungen enthielten 183 Sendungen insgesamt 290 Szenen mit geschlechtsspezifischer Gewalt.

Prof. Dr. Linke weist auch darauf hin, dass es in der Realität mehr Formen von geschlechtsspezifischer Gewalt gibt als dies im deutschen Fernsehen dargestellt wird. Dort nimmt Gewalt durch Unbekannte den größten Raum ein, gefolgt von Beziehungstaten und Gewalt in der Familie.

Tatsächlich ist geschlechtsspezifische Gewalt ein gesellschaftliches Thema und nicht eine Frage von Einzeltätern. Medien prägen die Wahrnehmung der Realität. Wenn Gewalt gegen Frauen verzerrt gezeigt wird, ist die Darstellung im Fernsehen ein Teil des Problems. Nach wie vor wird die Wirkung von Gewaltdarstellungen im deutschen Fernsehen kaum erforscht. Es fehlen aktuelle Analysen zu unterschwelligen Botschaften von Darstellungen und Erzählungen geschlechtsspezifischer Gewalt in Familien- und Kinderprogrammen. Oft ist diese Form der Gewalt vorhanden, wird aber in Kindersendungen sowohl von den dargestellten Betroffenen als auch vom Publikum nicht als solche erkannt. Insgesamt greift der Jugendmedienschutz zu wenig.

Es geht nicht darum, z. B. Fernsehkrimis grundsätzlich zu verbieten, sondern sie anders zu erzählen. Gute Geschichten benötigen nicht immer härtere und immer brutalere Gewaltdarstellungen. Wenn Schmerz und Ängste der Betroffenen gezeigt werden und der Fokus nicht ausschließlich auf die Gewalttat und die Täter gelegt wird, können sehr spannende Filme entstehen.

Der Bayerische Landesfrauenrat fordert deshalb alle Medienschaffenden insbesondere in Programmdirektionen und Redaktionen sowie (Drehbuch-) Autor:innen und Filmemacher:innen und Filmhochschulen zu kritischer Auseinandersetzung mit der Darstellung von geschlechtsspezifischer Gewalt auf.

Konkret bedeutet das:

1.  in Sendungen

  • die Perspektive von Betroffenen zu zeigen;
  • Möglichkeiten einzubinden, wie und wo Betroffene Hilfe bekommen können;
  • Vorabwarnung über den Inhalt einzublenden (Triggerwarnung).

2.  über Hilfsangebote für Betroffene nach der Sendung zu informieren;

3.  bei Krimi- und Dokumentationsproduktionen mit Anti-Gewalt- und Opfer-
     Organisationen zusammenzuarbeiten;

4.  Gefahren und Wirkung von Gewaltdarstellungen in der Ausbildung an
     Filmhochschulen und in den Medienanstalten aufzuzeigen.

Vom Bayerischen Rundfunk, der Bayerischen Landeszentrale für neue Medien sowie von Politikerinnen und Politikern fordert der Bayerischer Landesfrauenrat:

1.  Weitere Forschungsstudien in Auftrag zu geben und zu finanzieren.
     Dazu gehören:

  • Medienanalysen zur Erzählung und Darstellung geschlechtsspezifischer Gewalt in Kriminal- oder Actionfilmen;
  • Medienanalysen zur Erzählung und Darstellung geschlechtsspezifischer Gewalt im Familien-, Kinder- und Jugendprogramm;
  • Medienrezeptionsforschungen, die die Nutzungserfahrungen und Lesarten geschlechtsspezifischer Gewalt von Zuschauenden erfassen. Besonders wichtig ist es, die Nutzungserfahrungen und Lesarten von Menschen mit Gewalterfahrungen und deren Sichtweisen in den Blick zu nehmen.

2.  Mit Fort- und Weiterbildungen für diese Problematik zu sensibilisieren.

3.  Weitere Maßnahmen wie z. B. die Einrichtungen von Prüfstellen innerhalb der
     Sendeanstalten vorzuschreiben.

4.  Den Tätigkeitsbereich der Jugendmedienschutzbeauftragten auf subtile,
     geschlechtsspezifische Gewaltdarstellungen zu erweitern.

Nach Anfrage des Bayerischen Landesfrauenrates haben die in der oben erwähnten Forschungsstudie untersuchten Medienanstalten ARD, ZDF, BR und Pro7, SAT1 und RTL2 ihre Reaktionen und Konsequenzen auf die Studie differenziert dargelegt.

Björn Wilhelm, der Programmdirektor Kultur, und Bettina Ricklefs, die Leiterin des Programmbereichs Spiel-Film-Serie, im Bayerischen Rundfunk (BR), haben das BayLFR Präsidium und die Vorsitzende unseres Fachausschusses Medienpolitik (der Ausschuss entwickelte das Forderungspapier) am 18.11.2022 zum persönlichen Austausch geladen. Man versicherte uns, dass sich der BR mit ALLEN Studien der MaLisa Stiftung intensiv befasst.

Inhalt des Gesprächs war auch das "Internationale Zentralinstitut für das Jugend- und Bildungsfernsehen" (IZI), dessen Kernbereich die Medienwirkung auf Kinder und Jugendliche ist (läuft in der Trägerschaft des BR).

Mit dem Institut IZI hat der BayLFR bereits zusammengearbeitet und wird es weiterhin tun. Diese Expertise ist uns wichtig.

Vielen Dank für das Gespräch!

221018 Präsidium Bei Gespräch Im Bayerischen Rundfunk

v.l.n.r.: Sandra Schäfer (BayLFR), Björn Wilhelm (BR), Bettina Ricklefs (BR),
Katharina Geiger (BayLFR), Monika Meier-Pojda (BayLFR), Ulla Thiem (Vorsitzende des Ausschusses Medienpolitik im BayLFR)

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