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Equal Care Day am 29.02.2024

DAS Zukunftsmodell für die Vereinbarkeit von Familie und Beruf

Wie machen wir das gemeinsam, Carina Bartmann und Volker Baisch?

Von Renate Eder und Barbara Streidl für den BayLFR

Volker Baisch und Carina Bartmann

Volker Baisch: „Einige haben gesagt, das ist ja Wahnsinn, was du dich traust, alles auf eine Karte setzen! Andere haben gesagt, du bist ja völlig verrückt. Du gefährdest deine Familie.“

Carina Bartmann: „Als ich zum ersten Mal Mutter wurde, haben sich meine Werte verändert und mein alter Job mit vielen Überstunden passte nicht mehr zu meinem neuen Leben.”

conpadres-conmadres

Das Unternehmensnetzwerk Conpadres / Conmadres (span. „mit Vätern“ bzw. „mit Eltern“ / „mit Müttern“) berät sowohl Väter und Mütter als auch Unternehmen zu Fragen hinsichtlich der Vereinbarkeit von Familie und Beruf. Volker Baisch und Carina Bartmann, die Conpadres bzw. Conmadres leiten, sprechen in Firmen mit Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter, analysieren die Arbeitsbedingungen und zeigen Wege auf, wie sich Vater- und Mutterschaft besser mit dem Job vereinbaren lassen. Daneben untersuchen sie die Strukturen des Erwerbsalltags vieler Männer und Frauen, da die Arbeitswelt insgesamt familienfreundlicher, diverser und sozial nachhaltiger werden muss. Inzwischen gehören über 30 große und mittelständische Firmen zum Netzwerk, das gemeinsame Lösungen für Mütter und Väter erarbeitet, damit Vereinbarkeit ganzheitlich funktioniert! Denn „nur zufriedene Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter werden sich langfristig an ein Unternehmen binden“.

Die Frage nach der Vereinbarkeit von Familie und Beruf stellen sich Mütter und Väter heute gleichermaßen; alle möchten in der Erwerbstätigkeit ebenso aktiv und engagiert sein, wie sie gemeinsame Zeit mit ihren Kindern verbringen wollen. Dafür braucht es Unterstützung von Gesellschaft, Wirtschaft und Politik. An dieser Schnittstelle engagiert sich die Hamburger Organisation “conpadres / conmadres”: Wie kann die künftige Arbeitswelt zu einem guten Ort für Eltern werden? Darüber sprechen Volker Baisch und Carina Bartmann von conpadres / conmadres mit dem BayLFR.

Begonnen hat alles, als Volker Baisch Vater wurde: Weil er sich das Elternsein 50:50 mit seiner Frau teilen wollte, nahm er 12 Monate Elternzeit, lange bevor diese Möglichkeit im Jahr 2007 offiziell bundesweit eingeführt wurde. Nach dieser "Erziehungszeit", wie er das Jahr als hauptberuflicher Vater nennt, gründete er ein Unternehmen, um andere zu beraten, es ihm nachzutun: das Väternetzwerk conpadres. Seine Töchter sind heute erwachsen, doch die Frage nach der Vereinbarkeit von Beruf und Familie beschäftigt ihn noch heute und wird immer noch in vielen Familien verhandelt. Der aktuelle Väterreport des Bundesfamilienministeriums zeigt: Die meisten jungen Väter wollen eine partnerschaftliche Aufteilung der Aufgaben innerhalb der Familie. Sie finden drei Hauptgründe dafür, sagt Baisch, warum sie nicht nur Ernährer, sondern auch aktiv am Leben ihrer Kinder beteiligt sein möchten:

“Das Wichtigste ist den Vätern tatsächlich, dass sie Zeit mit dem Kind verbringen wollen, und zwar von Anfang an. Der zweite Punkt ist fast gleich wichtig, es geht darum, der Partnerin auch wirklich die Möglichkeit zu bieten, wieder einzusteigen in den Beruf. Und der dritte Punkt, da geht es auch um Gerechtigkeit: Sie wollen eine gleichmäßige Aufteilung der Betreuungsaufgaben, und das lässt sich natürlich auch nur bewerkstelligen, wenn man von Anfang an dabei ist.” Volker Baisch

Corona war der Game-Changer

Baisch weist darauf hin, dass die Pandemie hier eine Veränderung gebracht hat: Viele Väter konnten in den Monaten mit Lockdown und Homeoffice eine enge Beziehung zu ihren Kindern aufbauen, die sie bewahren möchten. Das geben sie den Personalabteilungen weiter, sodass viele Unternehmen auf conpadres mit dem Wunsch zukommen, sich beraten zu lassen und ihre Unternehmenskultur zu verändern.
Und wie ist das mit den Müttern? Viel wurde berichtet über eine ungleiche Verteilung der Care-Arbeit im Homeoffice während der Pandemie. Oder die Elternzeit, die sich viele Paare klassisch mit zwölf Monaten für die Mutter und zwei Monaten für den Vater aufteilen. Wie stellen sich Mütter die Aufteilung vor? Bei diesem Thema ist vor allem Carina Bartmann die Hauptansprechpartnerin: Sie leitet das Mütternetzwerk conmadres und hat viel mit Müttern und ihren Bedürfnissen zu tun. Ein erster Schritt in ihrer Arbeit als systemische Coach ist es, Menschen in die Selbstreflexion zu bringen und dabei zu unterstützen, eine Lösung aus sich selbst heraus zu entwickeln. Gleichzeitig braucht es diesen Reflexionsprozess auch in Unternehmen und bei politischen Akteuren, sodass Eltern dann auch die richtigen Rahmenbedingungen und Akzeptanz vorfinden.

“Wir alle sind innerhalb einer Gesellschaft aufgewachsen. Wurde der Wert einer Frau an Kinder geknüpft, an das Sorgen um die Kinder, die Familie und den Haushalt? Unbewusste Erwartungshaltungen und Glaubenssätze zeigen sich in unseren Entscheidungen und darin, wie und ob wir uns Dinge zutrauen oder andere Modelle ausdenken, mit denen wir dann in die Partnerschaft gehen und ins Unternehmen und aushalten, wenn es zu Irritationen kommt, weil diese Modelle von der gesellschaftlichen Norm abweichen." Carina Bartmann

Die Bundeszentrale für politische Bildung erforschte in “Vorstellungen zur idealen Arbeitszeit für Mütter und Väter”: 75 Prozent der befragten jungen Erwachsenen finden eine Vollzeitbeschäftigung für Väter ideal, für Mütter sehen aber nur 8 Prozent einen Fulltime-Job als ideal an.

Eine Million ist viel Geld

Rund eine Million Euro entgehen einem Menschen in Deutschland pro Erwerbsleben, wenn er oder sie auf Teilzeit setzt, um sich zum Beispiel um Kinder zu kümmern. Die finanziellen Folgen von Lebensentscheidungen können durchaus aufrütteln und zum Nachdenken anregen, bestätigt Bartmann.

Diejenigen, die nachdenklich geworden sind, kommen dann vielleicht auch zu conpadres / conmadres. Dass das Netzwerk sich bewusst für eine Aufteilung in “für Väter” und “für Mütter” entschieden hat, bewährt sich auch in der Zusammenarbeit mit Unternehmen. Bei dem Softwarekonzern SAP zum Beispiel, der auch den Mitgliedsunternehmen gehört, wird die Gruppe “parents @ SAP” sogar dreigeteilt: Es gibt ein Netzwerk für Väter, eins für Mütter und eins für Alleinerziehende. Eine Trennung, die nötig ist, sagt Volker Baisch:

“Wenn ein Väternetzwerk innerhalb eines Unternehmens zum Elternnetzwerk umgeformt wird, dann verwandelt sich das innerhalb von Wochen und Monaten in ein Mütternetzwerk. Das liegt daran, dass viele tatsächlich nach wie vor mit Eltern immer noch Mütter assoziieren, so ist es ja auch auf dem Elternabend in der Schule, den besuchen zu 80 bis 90 Prozent Mütter. Das heißt nicht, dass die Väter das nicht interessant finden, aber die passen dann eher zu Hause auf die Kinder auf oder sind vielleicht auch nicht so in dem Thema drin, weil sie häufig Vollzeit arbeiten.” Volker Baisch

Es ist wie bei einem Mobile, sagt Baisch: Wenn an einer Stelle gezogen wird, gerät alles aus dem Gleichgewicht: “Wir bewegen uns nicht auf einer individuellen Ebene durch die Welt, sondern auf einer Ebene, wo wir anderen begegnen und immer wieder auch mit bewegen." So funktioniert auch die Beratung von conpadres / conmadres auf einer Strukturebene: Es wird immer auf das ganze System eines Unternehmens geschaut: Wie viele Väter gehen in Elternzeit, welche Teilzeitquote gibt es und was ist mit den Müttern? Dann geht es in die Tiefe, auch im Austausch mit einigen Mitarbeitenden des Unternehmens: Weshalb gehen Väter nicht länger als zwei Monate in Elternzeit, welche Unternehmenskultur steckt dahinter? Am Schluss wird eine individuelle Strategie mit klaren Zielen erarbeitet. Die nicht nur den Vätern im Unternehmen, sondern auch den Müttern, dem Recruiting und dem Ruf als Arbeitgeber zugutekommt. Das conpadres / conmadres-Netzwerk ist groß und profitiert von den einzelnen Mitgliedern, sagt Carina Bartmann:

“Die Pharmabranche ist dabei, produzierende Gewerbe und öffentliche Unternehmen sind ebenso dabei. Allein durch den Austausch mit anderen Branchen, unterschiedlichen Unternehmensgrößen und unterschiedlichen Unternehmenskulturen kann man aus der eigenen Blase herausschauen: Was funktioniert bei euch gut und könnten wir das vielleicht auch für uns anschlussfähig machen?” Carina Bartmann

Es braucht einen gesellschaftlichen Wandel

Wir befinden uns in einem gesellschaftlichen Wandel, der von der Politik unterstützt werden muss, etwa durch die verlässliche Bereitstellung von Kinderbetreuungsplätzen in Kitas und an Schulen. Daneben weist Volker Baisch darauf hin, dass Unternehmen mitgehen müssen und Angebote an ihre Mitarbeitenden machen müssen, damit Vereinbarkeit von Beruf und Familie nicht mehr im Spagat endet. Bleibt die Frage, an welchen Vorbildern sich junge Eltern oder die, die über Kinder nachdenken, orientieren können.

“Mein Mann und ich versuchen gemeinsam, unseren Kindern vorzuleben, dass es anders gehen kann und dass wir individuelle Entscheidungen treffen können. Das geht schon los, wenn ich morgens aufstehe. Für mich ist das ein Anlass, meinen Kindern vorzuleben, dass auch mir als Mutter mein Job Spaß machen kann.” Carina Bartmann

Volker Baisch hat das gemeinsam mit seiner Frau ähnlich gemacht, als seine Töchter klein waren, und sagt rückblickend:

“Unsere Töchter wollen heute beides, Beruf und Familie. Auch wenn sie sich an anderen, etwa Cousinen orientieren, sind wir die prägendsten Vorbilder, und das freut uns natürlich auch, dass sie uns fragen, wenn es um Fragen nach der Familienplanung oder der Lebensplanung geht. Deshalb ist Familie so wichtig und müsste prinzipiell einen viel höheren Stellenwert haben.” Volker Baisch

 

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